Rechtsextreme Symbole in Online-Shops wie Temu: Ein unterschätztes Risiko im digitalen Handel

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In Zeiten des grenzenlosen Onlinehandels sind Waren aus aller Welt nur einen Klick entfernt. Plattformen wie Temu, Shein oder Wish versprechen billige Produkte, schnelle Lieferungen und ein riesiges Sortiment.

Doch mit dem rasant wachsenden Angebot solcher Online-Marktplätze steigen auch die Risiken. Immer häufiger tauchen in diesen Shops rechtsextreme Symbole, Zahlencodes oder Tarnbotschaften auf, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen mögen, aber in der Szene klare Bedeutung haben. Die Problematik ist nicht nur eine Frage moralischer Verantwortung, sondern auch ein Fall für das Strafrecht. Doch wie kommt es, dass solche Inhalte überhaupt angeboten werden dürfen? Und was wird dagegen unternommen?

Rechtsextreme Symbolik: Codes und Tarnstrategien

Rechtsextreme Gruppierungen greifen oft auf eine Vielzahl von Symbolen und Codes zurück, um ihre Gesinnung zu verbreiten, ohne dabei sofort aufzufallen. Besonders beliebt sind dabei Zahlencodes wie „88“, was für „Heil Hitler“ steht (da H der achte Buchstabe im Alphabet ist), oder „18“ für „Adolf Hitler“. Auch der Code „14“ verweist auf die sogenannten „14 Words“ eines US-amerikanischen Neonazis. Kombiniert man diese Zahlen zu „1488“, entsteht ein fester Bestandteil rechtsextremer Selbstdarstellung.

Neben Zahlen sind auch Buchstabenkombinationen wie „C18“ (Combat 18), „28“ (Blood & Honour) oder „ZOG“ (Zionist Occupied Government) in der Szene weit verbreitet. Diese Begriffe tauchen als Aufdrucke auf T-Shirts, Basecaps oder Stickern auf und werden gezielt vermarktet, um Zugehörigkeit zu signalisieren. Zusätzlich werden Emojis genutzt, um in sozialen Medien oder Chatgruppen rechtsextreme Inhalte zu verbreiten. Beispiele dafür sind ⚡⚡ (für SS-Runen), 🦅 (Adler) oder sogar 🧙, um antisemitische Inhalte zu verschleiern.

Ein weiteres Mittel der Verschleierung ist die gezielte Umdeutung von Begriffen oder Symbolen. So wird beispielsweise das Wort „USA“ innerhalb der Szene als Abkürzung für „Unser seliger Adolf“ verwendet. Auch der Thorshammer oder Runenzeichen, die aus der nordischen Mythologie stammen, werden zweckentfremdet und in rechtsextremen Kontexten getragen, was die juristische Bewertung dieser Symbole zusätzlich erschwert.

Temu als Plattform für rechtsextreme Produkte

Temu ist eine 2023 international gestartete Shopping-Plattform des chinesischen Unternehmens PDD Holdings. Die App gewann innerhalb kürzester Zeit an Popularität und bietet ein Sortiment von Millionen Artikeln an, die direkt von Dritthändlern versendet werden. Genau hier liegt ein großes Problem: Temu kontrolliert die angebotenen Waren nicht selbst, sondern agiert als Vermittler. Dadurch fehlt ein effektiver Prüfmechanismus für rechtlich oder moralisch fragwürdige Inhalte.

Recherchen von Medien wie BILD oder dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zeigen, dass auf Temu Produkte mit klarer rechtsextremer Symbolik angeboten werden. Darunter befinden sich Shirts mit den Aufdrucken „88“, „1488“ oder „C18“ sowie Sticker mit NS-verherrlichenden Inhalten. Die Angebote sind oft mit harmlos klingenden Produktbeschreibungen versehen, was eine Entdeckung zusätzlich erschwert.

Im Oktober 2024 leitete die EU-Kommission ein Verfahren gegen Temu ein. Der Vorwurf: Verstöße gegen das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), das seit 2023 die Verantwortung von Plattformen für die Inhalte ihrer Nutzer regelt. Temu müsse sicherstellen, dass keine gesetzeswidrigen Produkte auf der Plattform angeboten werden. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen, doch die Kritik an Temu und ähnlichen Marktplätzen nimmt weiter zu.

Rechtlicher Rahmen in Deutschland

Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist in Deutschland klar geregelt. Laut § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) macht sich strafbar, wer Symbole wie das Hakenkreuz, SS-Runen oder den Hitlergruß öffentlich verwendet, verbreitet oder verkauft. Doch die Szene reagiert flexibel: Viele Symbole sind bewusst so gestaltet, dass sie nicht unter das Verbot fallen oder nur schwer juristisch einzuordnen sind. Auch internationale Anbieter nutzen diese Grauzonen bewusst aus.

Ein Beispiel: Der Thorshammer ist ein Symbol aus der nordischen Mythologie, das an sich nicht strafbar ist. Doch in rechtsextremen Kontexten dient es oft als Tarnsymbol. Ähnlich verhält es sich mit bestimmten Runen oder Slogans, die für Eingeweihte eindeutig sind, aber rechtlich nicht eindeutig verboten werden können. Die Folge: Ermittlungsbehörden sind in der Beweislast, dass das Symbol eindeutig in einem verfassungsfeindlichen Kontext verwendet wurde.

Hinzu kommt das Problem der Jurisdiktion. Anbieter wie Temu haben ihren Sitz in China oder außerhalb der EU und können sich damit rechtlichen Konsequenzen in Europa oft entziehen. Die Durchsetzung deutscher Gesetze wird dadurch erheblich erschwert.

Gesellschaftliche Reaktionen und Initiativen

Auf gesellschaftlicher Ebene gibt es inzwischen verstärkten Widerstand gegen die Normalisierung rechtsextremer Symbolik im öffentlichen Raum und in der Konsumwelt. Die Modeplattform Zalando etwa hat mit der Kampagne „Fashion against Fascism“ reagiert und eine Datenbank mit über 200 rechtsextremen Codes aufgebaut. Ziel ist es, solche Inhalte frühzeitig zu erkennen und aus dem Sortiment zu entfernen. Besonders problematische Begriffe wie „USA“ in obiger Umdeutung wurden dabei ebenfalls identifiziert.

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen leisten wertvolle Aufklärungsarbeit. Die Amadeu Antonio Stiftung etwa informiert mit Berichten über neue rechtsextreme Onlinephänomene wie „Fashwave“ – ein Retro-Stil, der ästhetisch an Synthwave-Videos erinnert, aber mit neonazistischer Ideologie aufgeladen ist. Zielgruppe dieser Inhalte sind gezielt junge Menschen, die über subtile ästhetische Anreize in die Szene gezogen werden sollen.

Auch HateAid, eine Organisation für Betroffene digitaler Gewalt, dokumentiert regelmäßig rechtsextreme Symbole im Internet und warnt vor der zunehmenden Normalisierung solcher Codes. Besonders die Nutzung von Emojis und scheinbar harmlosen Zahlenfolgen wird kritisch gesehen. Die Aufklärung spielt dabei eine entscheidende Rolle, um rechtzeitig Gegenstrategien zu entwickeln.

Ein systematisches Problem im digitalen Handel

Die Verbreitung rechtsextremer Symbole in Online-Shops wie Temu ist kein Randphänomen, sondern ein systematisches Problem im digitalen Handel. Die Kombination aus internationalem Vertrieb, mangelnder Kontrolle und juristischen Grauzonen ermöglicht es, dass rechtsextreme Inhalte weltweit vertrieben werden – oft unerkannt von Konsumentinnen und Konsumenten.

Doch es gibt auch Hoffnung: Staatliche Stellen wie die EU-Kommission greifen zunehmend durch, Plattformen wie Zalando setzen auf aktive Prävention, und zivilgesellschaftliche Organisationen leisten wichtige Aufklärungsarbeit. Dennoch ist ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten notwendig – von Plattformbetreibern über Gesetzgeber bis hin zur Zivilgesellschaft. Nur so kann verhindert werden, dass Online-Shopping unbeabsichtigt zur Bühne für menschenverachtende Ideologien wird.

Der Kampf gegen rechtsextreme Symbole im Netz ist auch ein Kampf um die demokratische Kultur im digitalen Zeitalter. Wer hier wegschaut, überlässt Extremisten das Terrain. Deshalb braucht es mehr Sichtbarkeit, mehr Kontrolle und mehr Mut zum Handeln – auch und gerade im Internet.

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