Labubu – weltweiter Hype um ein neues Trend-Accessoire
Ugly-Cute im High Fashion-Kontext
Auf dem Londoner Stadtbummel: Eine Influencerin schwingt ihre It-Bag, daran baumelt ein zotteliges, grinsendes Plüschmonster. Labubu, das pelzige Sammler-Accessoire, hat sich vom Kindheits-Gag zum Fashion-Statement gemausert. Im High-End-Segment ist es aktuell nicht nur präsent – es ist viral.
Dieser Artikel beleuchtet: Was steckt hinter dem plötzlichen Siegeszug? Welche psychologischen, ökonomischen und kulturellen Kräfte wirken? Und ist Labubu ein kurzlebiger Hype oder Teil einer globalen Popkultur-Revolution?
Ursprung, Design und Markenaufbau
Von Kinderbuch zur Blind-Box-Ikone
Erfunden wurde Labubu 2015 von Kasing Lung, einem Hongkonger Künstler, der zu Beginn der Serie „The Monsters“ Figuren mit nordischen Bücher-Ästhetiken entwarf. Das missgelaunte, aber irgendwie liebenswerte Monster mit spitzen Ohren, buschigem Fell und dem charakteristischen neun Zähnen erschien zunächst in Kinderbüchern. 2019 nahm die chinesische Spielzeugmarke Pop Mart die Vinyl-Figuren auf und gab ihnen als Blind-Box-Version für Erwachsene den entscheidenden Schub.
„Blind Box“-Markenstrategie
Kaum ein anderes Modell verbindet Überraschung, Sammeltrieb und Doomscrolling-Generation so effizient wie das Blind-Box-Prinzip. Käufer wissen nicht, welche Edition sie erhalten – das schafft Spannung. Videos von Unboxing auf TikTok und Instagram sorgen für Viralität. Pop Mart nutzt diese Dynamik gezielt: eine künstliche Verknappung, und die Nachfrage explodiert – weltweit.
Pop Mart berichtete im ersten Quartal 2025 von unglaublichen Umsatzsteigerungen von 165–170 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der weltweite Sortimentumfang wächst weiter – allein 2025 sind über 300 Varianten erschienen, vom Schlüsselanhänger bis zur 1,20-Meter-Figur.
Von Asien in die Welt: Promis, Social Media, Streetstyle
Stars als Beschleuniger
Den globalen Startschuss gab 2024 Lisa von Blackpink, als sie ihr Labubu-Charme öffentlich zeigte – ein Instagram-Auftritt, der Millionen erreichte. Kurz darauf folgten internationale Celebrities wie Rihanna, Kim Kardashian, Dua Lipa, David Beckham, Simone Biles oder Central Cee.
Ein Beispiel: In Wimbledon 2025 trug Bollywood-Star Urvashi Rautela eine Hermès-Tasche mit Labubus – was in Social Media zu Schlagzeilen führte und ihr viel Spott einbrachte, vor allem, als Kritiker Fake-Versionen vermuteten.
Social Media als Hype-Katalysator
Hashtags wie #labubulove oder #labubucollection generieren Millionen von Views. Videos mit Bastelideen – etwa selbst gebastelte Puppenmöbel für Labubu – bringen zusätzliche Aufmerksamkeit. Der Effekt: Die Community nimmt das Accessoire an – nicht nur als Bag-Charme, sondern als Design-Phänomen und Lifestyle-Symbol.
Märkte, Preise und wirtschaftliche Dynamik
Explosiver Resale-Markt
Retailpreise starten meist bei 9 bis 28 Dollar, aber auf Sekundärmärkten schießen sie in schwindelerregende Höhen. Einige Raritäten erreichen über 1.000 Dollar, limitierte XL-Puppen wie eine 1,20-Meter-Figur wurden in Peking für unglaubliche 170.000 Dollar versteigert.
In den USA wurde Labubu sogar zum meistgesuchten Spielzeug 2025, mit US-Drops in 31 Stores und 53 Automaten – verkauft so schnell, dass sie oft ausverkauft sind.
Verknappung als Verkaufsstrategie
Pop Mart macht die Verknappung selbst: Hersteller setzen bewusst auf künstliche Knappheit, um Begehrlichkeit zu steigern. Laut Bloomberg gehört Pop Mart zu den Firmen mit höchsten Bruttogewinnmargen – bis zu 75 Prozent in den USA. Der aktuelle Marktwert liegt bei etwa 36 Milliarden Euro.
Psychologie: Cuteness, Nostalgie und emotionale Kollektion
„Ugly-Cute“-Ästhetik und Trostbedarf
Labubu ist nicht klassisch niedlich, sondern creepy cute – die Mischung aus etwas Unheimlichem und trotzdem liebenswertem Charme. Die Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout bezeichnete es als „cute auf gebrochene Art“, ein Symbol emotionaler Selbstfürsorge in Krisenzeiten. Auch in Asien suchen Erwachsene gezielt psycho-emotionalen Halt in solch absurden Kuschelobjekten.
Sammeltrieb und Gamification
Die Blind-Box-Dynamik spricht den inneren Sammler an: Der Drang, alle Editionen zu besitzen, ist tief verankert und liefert eine Art Kontrolle in unruhigen Zeiten. Reddit-Nutzer berichten, ihre Labubus mussten sogar von der Tasche weg – weil sie gestohlen wurden.
Kontroversen, Fälschungen und regulatorische Reaktionen
Dämonengerüchte und Medien-Virality
Einige Videos warfen Labubu vor, satanisch zu sein – insbesondere durch einen Simpsons-Clip, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Labubu zeigte. Verschwörungstheorien entfachten sich, doch Experten betonen: Labubu ist ein kinderfreundliches Konzept ohne Bezug zu Dämonologie.
Fälschungswelle und Sicherheitswarnungen
Auf Online-Plattformen wie AliExpress kursieren zahlreiche Fälschungen mit abweichenden Details. Behörden warnen vor minderwertigen Kopien – nur offizielle Händler gelten als sicher. Echte Labubus tragen Qualitätszertifikate und einen Echtheitscode.
Regulatorische Skepsis
In China untersuchten Behörden Pop Mart wegen des „süchtig machenden“ ungewissen Kauf-Risikos. In Ländern wie der Türkei, Russland oder Irak wird über Verkaufsverbote diskutiert, da das Geschäftsmodell als moralisch fragwürdig gilt.
Zukunftsausblick: Kultur, Business, Nachhaltigkeit
Kult-Phänomen oder kurzlebiger Hype?
Das Momentum ist klar: Ein offizieller Anime ist in Produktion, Umsätze steigen weiter. Bis 2029 erwartet Pop Mart anhaltendes Wachstum. Europa gilt als Zielmarkt der nächsten Jahre – in Berlin eröffnete ein Flagship-Store, weitere sind geplant.
Nachhaltigkeit und Kritik
Der ökologische Fußabdruck ist eine offene Baustelle. Zwar sind die Figuren klein, aber die Massenproduktion in Plastik ist kaum mit nachhaltigem Konsum vereinbar. Forderungen nach recycelbaren Materialien oder Reparaturservices werden lauter – noch reagiert Pop Mart darauf nicht.
Globale Sehnsüchte?
Labubu ist mehr als nur ein modischer Anhänger – es ist ein Spiegel globaler Sehnsüchte: nach Nähe, Kontrolle, Individualität. Es kombiniert emotionale Mechanismen mit strategischer Knappheit und Social-Media-Dynamik. Ob das Monsterchen eine Ära prägt oder in der Popkultur verglüht, bleibt offen – doch der Hype hat jetzt schon Geschichte geschrieben.
Bildnachweis: Labubu Von Gurumark – Eigenes Werk, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=169580465