
Die Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler jeder funktionierenden Demokratie. Sie sichert den freien Fluss von Informationen, erlaubt journalistische Kontrolle der Macht und bietet der Gesellschaft die Möglichkeit, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Doch weltweit steht es um die Pressefreiheit schlecht – und auch Deutschland verliert an Boden. Ein Blick auf die aktuelle Lage zeigt: Der Zustand der Medienfreiheit ist besorgniserregend.
Pressefreiheit weltweit im Abwärtstrend
Die Rangliste der Pressefreiheit 2024, herausgegeben von der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), offenbart ein dramatisches Bild: In mehr als der Hälfte der 180 untersuchten Länder herrscht eine „schlechte“ oder gar „sehr ernste“ Lage der Pressefreiheit. RSF warnt: Die Freiräume für unabhängigen Journalismus schrumpfen zunehmend. Gewalt gegen Medienschaffende, politische Repression und wirtschaftlicher Druck sind die Hauptgründe für diesen weltweiten Rückgang.
Besonders drastisch ist die Situation in autoritär geführten Staaten wie China, Nordkorea und Eritrea. Hier gibt es faktisch keine unabhängige Berichterstattung. Die Medien dienen der staatlichen Propaganda, Zensur ist allgegenwärtig. In China etwa werden kritische Journalistinnen und Journalisten verfolgt, verhaftet oder verschwinden spurlos. Die staatliche Kontrolle über das Internet und die sozialen Netzwerke ist umfassend.
Auf der anderen Seite stehen demokratische Vorbilder wie Norwegen, Estland und die Niederlande, die die ersten drei Plätze in der Rangliste einnehmen. Hier genießen Medien nicht nur rechtlichen Schutz, sondern auch breite gesellschaftliche Akzeptanz. Diese Staaten zeigen, dass Pressefreiheit auch unter schwierigen politischen Bedingungen gesichert und gestärkt werden kann.
Ein wesentlicher Treiber der globalen Verschlechterung ist die zunehmende politische Instrumentalisierung von Medien, insbesondere in Wahlkampfzeiten. Reporter ohne Grenzen dokumentierte für 2023 und 2024 zahlreiche Fälle, in denen Regierungen durch Gesetze, administrative Hürden oder gezielte Desinformationskampagnen unabhängige Berichterstattung behinderten. Zudem leiden viele Medienhäuser unter wirtschaftlichem Druck: In 160 der 180 bewerteten Länder klagen Journalisten über schlechte Arbeitsbedingungen, prekäre Anstellungsverhältnisse und sinkende Einnahmen.
Deutschland verliert an Boden
Auch Deutschland, lange ein Land mit vergleichsweise hoher Pressefreiheit, hat an Boden verloren. In der aktuellen Rangliste fällt die Bundesrepublik von Platz 10 auf Platz 11 zurück. Dies mag auf den ersten Blick wie ein kleiner Rückschritt erscheinen, doch hinter diesem Abrutschen stehen ernsthafte strukturelle Probleme.
Ein zentrales Problem ist das zunehmend feindselige Arbeitsumfeld für Journalistinnen und Journalisten. Die Zahl physischer Angriffe auf Medienschaffende ist 2023 zwar von 103 im Vorjahr auf 41 zurückgegangen, doch die Bedrohungslage bleibt angespannt. Viele Angriffe erfolgen im Kontext politischer Demonstrationen, insbesondere durch rechtsextreme Gruppen. Journalistinnen und Journalisten berichten über Einschüchterungen, Bedrohungen und gezielte Anfeindungen, die ihre Arbeit massiv erschweren.
Hinzu kommt eine schwierige Berichterstattungslage bei sensiblen Themen wie dem Nahost-Konflikt. Laut RSF berichten deutsche Medien vermehrt von politischen und gesellschaftlichen Spannungen, die die freie Berichterstattung beeinflussen. Die Angst vor Anfeindungen oder gar Gewalt führt dazu, dass Themen mit großer gesellschaftlicher Relevanz teilweise nur oberflächlich behandelt werden.
Auch wirtschaftliche Faktoren spielen eine Rolle. Der Strukturwandel in der Medienbranche, sinkende Werbeeinnahmen und der wachsende Einfluss digitaler Plattformen setzen traditionelle Medienhäuser unter Druck. Redaktionen werden verkleinert, Lokaljournalismus verschwindet, journalistische Recherche leidet unter Zeit- und Kostendruck. Diese Entwicklungen gefährden langfristig die Qualität und Vielfalt der Berichterstattung.
Europa versucht zu handeln: Das Medienfreiheitsgesetz
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat das Europäische Parlament am 11. April 2024 das Europäische Medienfreiheitsgesetz verabschiedet. Es soll Journalisten und Medienunternehmen vor politischer Einflussnahme und wirtschaftlicher Abhängigkeit schützen. Unter anderem sind Regelungen vorgesehen, die die Unabhängigkeit von Redaktionen stärken und Eingriffe durch Regierungen oder Medienbesitzer erschweren.
Das Gesetz sieht auch Transparenzpflichten für Medienunternehmen vor, etwa in Bezug auf Eigentümerstrukturen und staatliche Werbeausgaben. Medienvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit sollen dadurch besser gewahrt bleiben. Auch der Schutz von Quellen und die Freiheit von Journalisten vor Überwachung sind zentrale Bestandteile des Gesetzes.
Allerdings stößt das Gesetz nicht überall auf Zustimmung. Kritiker befürchten, dass die EU mit dem Gesetz zu weit in die Medienregulierung eingreift und nationale Souveränitäten untergräbt. Medienverbände weisen darauf hin, dass journalistische Freiheit auch durch überregulierte Rahmenbedingungen beeinträchtigt werden kann. Es wird entscheidend sein, wie das Gesetz in der Praxis umgesetzt und kontrolliert wird.
Was muss sich ändern? Handlungsempfehlungen und Ausblick
Die Lage der Pressefreiheit verlangt nach entschlossenem Handeln. Folgende Maßnahmen könnten helfen, die Medienfreiheit weltweit und in Deutschland zu stärken:
- Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit: Staatliche Fördermodelle für unabhängigen Journalismus, etwa durch Pressevielfaltfonds oder steuerliche Erleichterungen, können Medienhäusern helfen, sich unabhängig von großen Werbekunden oder politischen Interessen zu finanzieren.
- Verbesserter Schutz für Journalistinnen und Journalisten: Polizei und Justiz müssen Angriffe auf Medienschaffende konsequent verfolgen. Schulungen für Sicherheitskräfte im Umgang mit Pressevertretern könnten dazu beitragen, Eskalationen bei Demonstrationen zu vermeiden.
- Förderung von Medienkompetenz: Eine informierte Öffentlichkeit ist ein Schutzschild gegen Desinformation. Medienbildung in Schulen, aber auch Programme für Erwachsene, sollten verstärkt gefördert werden.
- Transparenz und Vielfalt: Medienmärkte müssen so gestaltet werden, dass Vielfalt erhalten bleibt. Monopolisierungstendenzen sollten durch Fusionskontrolle und Transparenzpflichten verhindert werden.
- Internationale Zusammenarbeit: Pressefreiheit kennt keine Grenzen. Internationale Organisationen, NGOs und demokratische Staaten müssen gemeinsam Druck auf autoritäre Regime ausüben und verfolgte Journalistinnen und Journalisten unterstützen.
Ein Motor demokratischer Gesellschaften
Die Pressefreiheit steht weltweit unter Druck – durch politische Repression, wirtschaftliche Krisen und gesellschaftliche Polarisierung. Auch in Deutschland zeigen sich Risse im einst soliden Fundament der Medienfreiheit. Der Schutz unabhängiger Berichterstattung darf keine Selbstverständlichkeit sein, sondern muss aktiv verteidigt werden. Eine starke, freie Presse ist nicht nur ein Abbild, sondern ein Motor demokratischer Gesellschaften. Ihre Zukunft liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung.